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Wenn’s kracht: Unfälle während einer Probefahrt

Unfälle passieren. Schon mit dem eigenen Fahrzeug ist es ärgerlich genug, doch was passiert, wenn es im Rahmen einer Probefahrt kracht? Wer haftet? Und werden die entstandenen Schäden von einer Versicherung getragen?

Die gute Nachricht vorab: Versicherungen springen im Prinzip im gleichen Ausmaß ein, wie sie es bei einem Unfall mit einem Privatfahrzeug tun würden. Doch wie bei Privatfahrten gibt es auch bei Probefahrten Gründe, aus denen sie es verweigern.

Es muss tatsächlich eine Probefahrt sein!

Der wichtigste Punkt von allen: Sobald ein Fahrzeug mit einem blauen Kennzeichen am Straßenverkehr teilnimmt, muss es sich hieb- und stichfest um eine Probefahrt handeln. Dem Schwiegersohn das Fahrzeug mit dem blauen Kennzeichen am Wochenende für einen Ausflug zu überlassen, ist keine Probefahrt. Die Kinder von der Schule abzuholen ist keine Probefahrt. Und der Umweg zum Diskonter, um rasch das neue Sonderangebot abzugreifen, ist erst recht keine Probefahrt.

Der Gesetzgeber setzt dabei sehr enge Grenzen. Schon der erwähnte Umweg zum Diskonter kann aus einer Fahrt, die ansonsten vielleicht tatsächlich als Probefahrt zu werten wäre, eine Privatfahrt machen.

Welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine Fahrt als Probefahrt zählt, ist genau geregelt und wurde auch hier in in anderen Beiträgen erörtert. Und eines ist gewiss: Die Sachbearbeiter bei Versicherungen kennen das Gesetz sehr genau. Mehr noch, sie haben schon genug »G’schichterln« gehört, um einschätzen zu können, ob ein Unfall wirklich während einer Probefahrt passiert ist oder nicht.

Aufzeichnungen müssen geführt werden!

Auch wenn eine Fahrt nun tatsächlich alle Charakteristika einer Probefahrt erfüllen würde, können fehlende Aufzeichnungen Probleme verursachen. Denn wenn ein Fahrtenbuch nicht oder nur unvollständig geführt wird, bleibt einer Versicherung gar nichts anderes übrig, als den Charakter eine Fahrt in Zweifel zu ziehen (von den verwaltungsrechtlichen Problemen mal ganz zu schweigen).

Zusätzlich stellen auch fehlende Dokumente im Fall eines Unfalls weitere Ursachen für Ärger dar. Daher sollte jeder Fahrzeuglenker stets den Probefahrtschein mitführen. Falls die Art der Probefahrt es erforderlich macht (mehr dazu in eigenen Beiträgen), ist auch eine Probefahrtbescheinigung erforderlich.

Ein Fall aus der Realität

Ein OGH-Urteil aus dem Jahr 2015 zeigt auf, wie eng der Gesetzgeber die Grenzen dafür setzt, was eine Probefahrt ist und was nicht.

Ein Autohändler fuhr im Januar 2012 von seinem privaten Wohnsitz aus zu einem Kundentermin, um das Fahrzeug vorzuführen und zu verkaufen. Daher benutzte er für die Fahrt die blauen Probefahrtkennzeichen. So weit, so gut. Allerdings nahm er dabei seine Gattin mit, um sie auf dem Weg bei den Schwiegereltern abzusetzen.

Während der Fahrt passierte das Unglück. Es krachte, wobei sowohl für den Autohändler als auch für den anderen Lenker ein Mitverschulden von jeweils 50 Prozent festgestellt wurde. Dementsprechend kümmerten sich die Haftpflichtversicherungen um die Ansprüche des jeweiligen Unfallgegners. Der Autohändler glaubte, dass die Sache damit erledigt sei.

Doch dann kamen Regressforderungen seitens der Versicherung. Diese argumentierte mit der Anwesenheit der Gattin im Fahrzeug sowie mit dem Vorhaben, sie bei den Schwiegereltern abzusetzen. Damit, so die Versicherung, läge keine Probe-, sondern eine Privatfahrt vor, die nicht durch die (niedrigeren) Prämien für Probefahrten versichert sei. Die Sache ging vor Gericht, und nach einem ersten Urteil zugunsten des Autohändlers bekam in der Revision schließlich die Versicherung Recht. Der Händler musste einen fünfstelligen Betrag zurückzahlen.

Anmerkung: Diese Schilderung ist stark verkürzt und vereinfacht. Details lassen sich im Rechtsinformationssystem des Bundes unter dieser Adresse finden.

Aus Sicht von Kaufinteressenten

Kaufinteressenten, die eine Probefahrt mit blauem Kennzeichen unternehmen, dürfen prinzipiell davon ausgehen, dass das benutzte Fahrzeug versichert ist. Soweit es sich um die Haftpflichtversicherung dreht, ist diese bei angemeldeten Fahrzeugen ohnehin gesetzlich vorgeschrieben. Aber auch von einer (Voll-)Kasko-Versicherung dürfen die Kunden ausgehen – insbesondere dann, wenn es sich um einen Neuwagen handelt. Gleiches gilt übrigens auch für Leihwagen von Werkstätten, die für die Dauer einer Reparatur zur Verfügung gestellt werden.

Es sollte stets darauf hingewiesen werden, welche Versicherungen für ein Fahrzeug abgeschlossen wurden und welche nicht. Idealerweise und um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, wird dies auch in einer Probefahrtvereinbarung schriftlich festgehalten. Vermutlich ist es aber sinnvoll, es erst gar nicht dazu kommen zu lassen und insbesondere bei neuwertigen Fahrzeugen eine Versicherung abzuschließen.

Ein weiterer Fall aus der Realität

Zum Thema Informationspflicht existiert ein Urteil aus dem Jahr 2003. Dabei geht es um folgenden Vorfall: Im Februar 2001 überließ ein Fahrzeughändler einem Kaufinteressenten einen PKW für eine Probefahrt. Die Rückgabe hätte am Morgen des nächsten Tages erfolgen sollen.

Aufgrund winterlicher Bedingungen prallte der Lenker während der Probefahrt gegen den Betonpfeiler eines Gartenzauns. Zwar läutete er an der Tür des Hauses, zu dem der Zaun gehörte, doch als niemand aufmachte, fuhr er weiter. Das führte zu einer Strafverfügung wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort – ein Verstoß, der zweifelsfrei dem Lenker anzulasten ist. Ebenso war der Schaden am Zaun bzw. am Pfeiler eine Frage, mit der sich eine Haftpflichtversicherung auseinandersetzen musste.

Das fragliche Urteil dreht sich jedoch um den Schaden am Fahrzeug, der immerhin einen fünfstelligen Betrag ausmachte. Da keine Kaskoversicherung vorlag, sollte aus Sicht des Händlers der Lenker die Kosten übernehmen. Dieser lehnte natürlich ab. Vor Gericht stand nun Wort gegen Wort: Laut Händler wäre der Kunde über die nicht vorhandene Kaskoversicherung informiert worden, wohingegen der Kunde meinte, er hätte die Probefahrt erst gar nicht angetreten, hätte er es gewusst.

Letztlich glaubte das Gericht dem Kunden, und der Händler musste den Schaden selbst tragen.

Wie zuvor wurde auch dieser Fall stark verkürzt und vereinfacht dargestellt. Details dazu sind dem Rechtsinformationssystem des Bundes unter dieser Adresse zu entnehmen.